Süddeutsche Zeitung - Die Erben des Forstmeistes

29. / 30. September 2007

"Charaktervolles Wetter sorgt für charaktervolle Weine" – der Winzer Hanno Zilliken und seine Familie beginnen mit fer Traubenernte

Von Elisabeth Dostert

Die Schatzkammer von Hanno Zilliken liegt neun Meter unter der Erde. Durch das Kelterhaus eines unscheinbaren Einfamilienhauses führt der Winzer in den Fasskeller. Wasser tropft von der Decke, an der sich mit den Jahren Stalaktiten wie in einer Tropfsteinhöhle gebildet haben. Es riecht nach frischen Champignons, " Die Luftfeuchtigkeit hier unten liegt bei fast hundert Prozent und die Temperatur zwischen neun und elf Grad", sagt Zilliken. Im kühlen Gewölbekeller bleiben die Holzfässer feucht, und es verdunstet kaum Wein. Um die Flaschenhälse hat sich wie ein schwarzer Wattebausch der Kellerpilz gelegt – Zeichen für ein gutes Mikroklima. Der Pilz ernährt sich von Alkohol.

 

Zilliken, 56, ist einer der besten deutschen Winzer. Auf elf Hektar, das sind mehr als 15 Fußballfelder, produziert er ausschließlich Riesling. Seine Spezialität sind fruchtige und edelsüße Weine. "Erst vor zehn Jahren haben die deutschen Spitzengastronomen die gereiften Reislinge wiederentdeckt", sagt Zilliken. "Zu Zeiten meines Urgroßvaters waren sie eine Selbstverständlichkeit auf jeder Weinkarte." Dazwischen hatte dem deutschen Weißwein lange Zeit zu Urecht der Makel angehaftet, nicht besonders lagerfähig zu sein.

Sensorik aus drei Generationen

Für den Jahrgang 2007 ist Zilliken optimistisch. Die Ernte beginnt in wenigen Tagen. Der dreiwöchige Vegetationsvorsprung, den der warme April brachte, ist durch die Wetterkapriolen im Sommer auf zehn Tage geschrumpft. Zilliken ist das nur recht, er schätzt eine lange Reifezeit. Das zuletzt kühlere Wetter macht ihm kaum Sorgen: "Charkatervolles Wetter sorht für charaktervolle Weine." Karge Böden wie der verwitterte Schiefer in der Lage Saarburger Rausch vertragen die Feuchtigkeit gut. Der Weinbauingenieur pflegt seine Reben so, dass der Ertrag 5000 Liter pro Hektar nicht überschreitet. "Eine Missernte hatten wir seit 1087 nicht mehr. Das liegt sicher auch an der Klimaerwärmung", sagt Zilliken.

Für seine Vorfahren war der Weinbau wegen der stark schwankenden Erträge dagegen noch riskant und reichte allein nicht für den Lebensunterhalt. Erste Aufzeichnungen, Preislisten und Grundbuchauszüge über das Gut stammen aus dem Jahr 1742. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahm der königlich-preußische Forstmeister Ferdinand Geltz die Geschäfte und verhalf Gut und Wein zu Reputation. Geltz ist einer der Gründungsmitglieder des Vereins der Naturweinversteigerungen Großer Ring, dem heutigen Verband der Prädikatsweingüter. Die beiden nachfolgenden Generationen teilten die Rebflächen untereinander auf. Das Gutshaus samt Keller an der Brücke über die Saar wurde bei einem Bombenangriff an Weihnachten 1944 zerstört. Gemeinsam mit ihrem Mann Fritz Zilliken, 87, baute Marianne eine Enkelin des Forstmeisters, ihren Erbteil wieder auf. In den ersten Jahren fehlte es an allem. Die Winzer klaubten die Telefonleitungen entlang des Westwalls zusammen, um daraus Bindedrähte für ihre Reben zu schneiden. 1950 kaufte das Ehepaar den heutigen Keller, damals eine seit Jahren ungenutzte Bauruine des insolventen Weinhändlers Schrimpf.

Marianne Zilliken hat die Geschichte in ihrem Betriebstagebuch dokumentiert. Auf der Ruine bauten sie ein Kelterhaus und später das heutige Wohnhaus. Sie kauften Rebflächen und in den siebziger Jahren die Weinberge der kinderlosen Schwester Henriette. 1976 trat Hanno Zilliken in den elterlichen Betrieb ein.

Wenn der Hersbtnebel die Sicht nicht verhängt, hat Zilliken von der großen Terrasse hinter dem Haus einen guten Blick auf die steilen Hänge des Saarburger Rausch, seine wichtigste Einzellage. Die Lese erfolgt in mehreren Etappen, weil immer nur Trauben von gleichem Reifegrad geerntet werden. Bis zu fünf Mal gehen die Erntehelfer über jeden Weinberg. Wesentlich mehr Fläche will Zilliken nicht. Seine älteste Tochter Dorothee, 27, soll den Betrieb übernehmen. Vor zwei Jahren hat er mit ihr über eine Flächenaufstockung gesprochen. Sie haben sich dagegen entschieden. "Wir könnten den Weinbau dann nicht mehr so betreiben, wie wir das gerne möcten und im Holzfass ausbauen", sagt er: "Ich versuche, im Keller die Qualität, die aus dem Weinberg kommt, zu erhalten."

In einigen Wochen, wenn die Ernte eingebracht und der Most vergoren ist, wird sich Zilliken mit Dorothee und seinem Vater Fritz an manchen Sonntagen für einige Stunden in den Keller zurückziehen. Mit der Sensorik von drei Generationen probieren und diskutieren sie dann über die jungen Weine und tauschen ihre Gescchmackserlebnisse aus. Dorothee hat Weinbau und Önologie studiert an der renomierten Fachhochschule Geisenheim, dort war auch ihr Vater. Für ein Praktikum war sie in Südafrika auf dem De Wetshof in Robertson und hat dort Weinbau in einer anderen Dimension erlebt. 180 Hektar groß ist der De Wetshof, dort werden ebenfalls vor allem Weißweine erzeugt. Der Eigentümer, Danie de Wets, hat auch in Geisenheim studiert.

Die Zillikens fürchten weder die Konkurrenz aus Übersee noch die aus Europe, weil sie ihre Nische gefunden haben. Dorothee hat im Studium viel über Marketing und die rationelle Verarbeitung großer Mengen gelernt. "Aber das, was ich von meinem Vater lernen kann, den Ausbau in Holzfässern, lernt man dort nicht", sagt sie. Ein kleiner Fortschritt steht dennoch an: Die Zillikens wollen näher an die Kunden. Im Garten sollen bald eine Vinothek und ein Raum für Weinproben entstehen, mit Platz für größere Gruppen. Bislang empfangen die Zillikens ihre Gäste im Wohnzimmer.


Anbaugebiete

In Deutschland gibt es 13 Weinanbaugebiete. Mit knapp 9000 Hektar bestockter Rebfläche ist die Region Mosel das fünftgrößte Gebiet. Es ist in sechs Bereiche unterteilt, Burg Cochem, Bernkastel, Obermosel, Ruwertal, Moseltor und Saar, wo Hanno Zillikens Weingut liegt. Die teilen sich in 524 Einzellagen, wie etwa den Saarburger Rausch. Dabei handelt es sich um abgegrenzte Weinberge mit gemeinsamen geografischen und klimatischen Kriterien sowie Weinen einer bestimmten Charakteristik. Der Name Saarburger Rausch leitet sich aus der alten Bezeichnung für eine Gröllhalde ab. Die Weinberge auf dem für die Lage typischen Devonschieferboden weisen eine Steigung von bis zu 50 Prozent auf. Mehr Informationen gibt es auf www.deutscheweine.de

SZ-2007-09-29